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FREITAG:

Die heißbegehrte Rolle des Anheizers dürfen dieses Jahr die erst 2015 gegründeten Kanadier SABIRE übernehmen. Die Männer lassen auch absolut nichts anbrennen und unterhalten mit einer energetischen NWOBHM-Mischung, welche das eine oder andere Mal an frühe Tank erinnert und mit etwas Speed Metal garniert ist. Die Band selbst nennt diese Mixtur dann Acid Metal! Frontmann Scarlett hat sich optisch einiges von Blackie Lawless abgeguckt und macht auch sonst eine mehr als souveräne Figur. Er ist ganz klar der Blickfang bei SABIRE! Gespielt wird quasi die ganze im Dezember 2018 veröffentlichte „Gates Ajar“-EP plus zwei bisher nicht aufgenommene neue Stücke sowie das Rose-Tattoo-Cover 'Bad Boy For Love'. Ein gelungener Einstand, der lediglich von dem alles andere als guten PA-Sound getrübt wird.

Dies wird leider, als mit TRAVELER die zweite Kanada-Formation auf die Bühne geht, eher schlechter als besser. Geschulte Augen erkennen, dass heute ein komplett neues, bisher in der Tauberfrankenhalle nie verwendetes Digital-Mischpult zum Einsatz kommt. Subjektiv bewertet ist die anwesende Crew damit überfordert und sucht noch die richtigen Knöpfe, als die Band mit 'Behind The Iron' und 'Street Machine' in ihr Set einsteigt. Dies wird während 'Mindless Maze' und dem coolen 'Speed Queen' leider nicht merklich besser. Der Fünfer gibt sich spielfreudig, energetisch und sympathisch, wirkt aber noch ein bisschen unscheinbar auf der Bühne. Es ist deutlich, dass trotz allem Spaß in den Backen noch etwas die Routine und Live-Erfahrung fehlt. Kurzweilig und unterhaltsam ist der Gig aber allemal. Und da Judas Priest und vor allem viel Iron Maiden immer wieder liebevoll im ICE-Tempo zitiert werden, geht der Sound auch gut ins Blut, und jeder fühlt sich irgendwie zu Hause. Das folgende 'Fallen Heroes' wird neben Mark Shelton auch allen anderen zu früh von uns gegangenen Menschen gewidmet. Die Krönung der ganzen Show ist die sehr knackige Coverversion von 'Be Quick Or Be Dead' von den eisernen Jungfrauen. Beim letzten Stück 'Starbreaker' geben TRAVELER noch einmal alles und gehen als Sieger von der Bühne – beschissener Bühnensound hin oder her.

Nach zwei jungen, aufstrebenden Bands wird nun die erste kauzige, aus der Versenkung geholte Combo aufgefahren. Und sie spielt heute ihren ersten Gig auf deutschem Boden! JUGGERNAUT gründeten sich 1984 und fahren eine sehr eigenwillige, sperrige Form des progressiven, technischen Speed- und Thrash Metal. Obwohl die Texaner in den 80s nur zwei Alben veröffentlichten, haben sie im Underground und unter Puristen und Trüffelschweinen einen gewissen Kultstatus. Insbesondere das Debüt „Baptism Under Fire“ wird immer mal wieder gern in Nerd-Kreisen genannt. Die Band tritt heute zu drei Vierteln in Originalbesetzung auf – lediglich die Position des Drummers wurde mit Miguel Morales neu besetzt. Anhand des fehlenden Bekanntheitsgrads ist die Halle, als JUGGERNAUT loslegen, nicht gerade zum Bersten gefüllt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Sound in der Halle zu Beginn nach wie vor völlig grottig ist, was bei einem so filigranen, komplexen Material manche Feinheiten leider nur erahnen lässt. Das Quartett gibt sich aber sympathisch sowie bodenständig und ist definitiv sehr gut eingespielt. Die Musiker haben unübersehbar Spaß an dem, was sie da tun – und dies überträgt sich auf immer mehr Zuschauer. Nach dem ersten Viertel der Show verbessert sich glücklicherweise auch der Sound, wodurch Granaten wie 'In The Blood Of Virgins' oder 'All Hallows Eve' endlich ordentlich einschlagen können. Außerdem ist es eine wahre Freude, Saitenhexer Bob Catlin (S. A. Slayer) bei der Arbeit und beim Grimassenschneiden zuzusehen. Ebenfalls herausgehoben werden muss die prächtige Gesangsleistung von Harlan Glenn. Dieser hat eine Portion Asche seines Vaters im weiß-blauen Bierkrug dabei, welche von der Bühne aus verstreut wird. Sein Dad ist ein in die USA ausgewanderter Deutscher, von dem so ein Stück in seine Heimat zurückkehrt. Skurril, aber irgendwie rührend! Von den neueren Stücken kommt heute vor allem 'No Prisoners' sehr gut beim Publikum an. Saustarker Gig!

CITIES gingen einst als Projekt von Twisted-Sister-Drummer A.J. Pero (R.I.P.) Mitte der Achtziger an den Start, und als einziges Tondokument in voller Spiellänge ging das 85er Album „Annihilation Absolute“ hervor, eine um drei Songs gepimpte Version der zuvor veröffentlichten, gleichnamigen EP. Neben dem bekannten Namen hinter den Drums hatten CITIES nichts sonderlich Bemerkenswertes an sich. Der allenfalls mittelmäßige US-Power-Metal juckte seinerzeit schon nur eine überschaubare Anzahl an Maniacs, und wirkliche Euphorie konnten die vier Mann, von denen nur noch Basser Sal Italiano vom ursprünglichen Line-Up auf der Bühne steht, weder auf noch vor der Bühne entfachen. Am meisten Spaß hat gefühlt der Ex-Anvil-Basser selbst, der sich die CITIES-Truppe um sich herum noch zusammensuchen musste, um dann gemeinsam das komplette und einzige Album von CITIES darbieten zu können, erweitert um eine Coverversion von 'Heaven And Hell', die symptomatisch für das allgemeine Feeling einer auftretenden Coverband steht.

Mit deutlich mehr Credibility gesegnet, gehen die vom Publikum sehnlichst erwarteten Japaner von ANTHEM erstmals auf europäische Bühnenbretter und legen mit dem 87er Albumtitelsong 'Bound To Break' gleich mal ein ganz anderes Level vor. Der mit einer ordentlichen Judas-Priest-Schlagseite ausgestattete Power Metal überzeugt zu spätnachmittäglicher Uhrzeit bis in die hintersten Reihen das fachkundige Publikum und mit dem Querschnitt vorrangig aus den Achtzigern und Neunzigern sowie vier Nummern aus den Nullerjahren erweist sich der Abstecher in die Tauberfrankenhalle als richtiggehender Triumphzug für die spielfreudigen Japaner. Umso überraschender, dass es ANTHEM nie geschafft haben, ein größeres internationales Publikum mit ihrem zeitlosen Heavy/Power Metal zu erreichen, während man es in der Heimat durchaus schafft, auch die ganz großen Hallen zu füllen. Mit 'Wild Anthem' noch in den Ohren, der Bandhymne vom Debütalbum, beginnt eine lange, ungewisse Wartezeit in der frohen Erwartung einer unbekannten Lebensform, die es an diesem Abend nicht leicht haben wird, die Agenten des Stahls von sich zu überzeugen.

Die Euphorie aber auch die Anspannung und Besorgnis in der Tauberfrankenhalle wächst, als AGENT STEEL nicht pünktlich auf der Bühne stehen. Es wird bereits abgedunkelt, die gesamte Band bis auf John Cyriis geht auf die Bühne – und verschwindet wieder. Das Ganze wiederholt sich dann noch zweimal, mit dem Unterschied, dass beim dritten Mal noch ein Linecheck eingeschoben wird. Die Amis sind nun bereits fast 40 Minuten überfällig, ohne dass das Publikum informiert wird. Als laute „Aria“-Rufe zu hören sind, bequemt sich jemand auf der Bühne und erzählt, dass die Band im Stau stehe, aber definitiv auftreten würde. Fakt ist aber, dass außer John Cyriis alle anwesend sind. Um sich nicht an diversen Gerüchten und Halbwahrheiten zu den Hintergründen hierzu nicht beteiligen, breiten wir mal den Mantel des Schweigen darüber. Nach über einer Stunde Verspätung ist klar, dass John nicht von Aliens entführt wurde, sondern tatsächlich leibhaftig auf der Bühne steht. Zu diesem Zeitpunkt haben allerdings sicherlich ein Viertel der Fans wutentbrannt die Halle verlassen. Wer noch da ist, bekommt eine wirklich gute Show mit einer sehr tight aufspielenden Band und einem gut singenden Mr. Cyriis zu sehen. Leider hält dieser es nicht für nötig, sich beim Publikum zu entschuldigen oder irgendein Wort über die extreme Verspätung zu verlieren. Dafür labert er lieber vertrackten Nonsens und feiert sich selbst. 'Unstoppable Force' , 'Taken By Force' und 'Rager' stimmen dann aber trotzdem etwas milde. Der Bühnensound ist für das erste Mal am heutigen Tag wirklich gut, wodurch 'Bleed For The Godz' und 'Guilty As Charged' in voller Pracht erstrahlen. Wegen den versauten Umständen und der extremen Verspätung von John Cyriis kommt leider erst ganz zum Schluss beim Übersong 'Agents Of Steel' so richtig Mega-Stimmung auf. Nach 25 Minuten ist die Vorstellung dann leider vorbei, und so mancher muss danach seine gemischten Gefühle oder seine Wut am nächsten Bierstand runterspülen.

Jetzt ist schon wieder was passiert… Ja, der ungewisse, aber dann doch erfolgte Kurzauftritt von AGENT STEEL erhitzte einige Gemüter und trug dazu bei, dass sich so mancher vollumfänglich darin bestätigt sieht, dass „de Cyriis nimme alle Latte am Zaun hoat“ und sich demonstrativ während des Auftritts sein Woiza holt, um selbiges lieber demonstrativ vor der Halle zu konsumieren, um die Ablehnung gegen den offenkundigen Egozentriker zu untermauern. Schön, wenn es noch Dramen und Skandale sogar im Keep-It True-Universum gibt, was im Falle des Bookings der L.A.-Truppe durchaus im erwartbaren Bereich lag. Die aufgekommene Unruhe im Publikum spielt ARIA durchaus in die Karten, denn die Russen wurden schon während der Wartezeit auf AGENT STEEL lauthals gefordert, und dadurch gab‘s auch schon Vorschusslorbeeren für eine Band, die auch viele der Anwesenden nicht oder zumindest nicht im diesem Umfang auf dem Schirm hatten. Auch hier verhält es sich so, dass die Band in ihrer Heimat ganze Stadien zu füllen imstande ist, doch außerhalb des riesigen Landes sind Bekanntheit und Erfolg nur im überschaubaren Maße vorhanden. Das liegt vielleicht nicht zuletzt daran, dass die Band ausschließlich in Landessprache singt und damit eine gewisse Barriere für ein internationales Publikum aufbaut, welches liebend gern die stark Maiden-affinen Nummern der Band mitgrölen würde, wenn da doch nur die Russisch-Kenntnisse vorhanden wären. Dafür, dass vermutlich maximal 1% der Anwesenden den lyrischen Film von ARIA mitgehen können, geht das Publikum angemessen steil zu der 13 Songs umfassenden Demonstration ihres zweifellos vorhandenen Könnens klassischen Heavy Metal. Wer sich jedoch eines der bislang ebenfalls 13 vorhandenen Studioalben der Band zulegen möchte, der muss kreative Wege wählen, um da ranzukommen.

Danach folgt ein zweieinhalbstündiger Auftritt unter dem Banner MARK SHELTON TRIBUTE. Ein letztes Mal nehmen Freunde, zuletzt aktive sowie ehemalige Bandmitglieder sowie Verehrer von MANILLA ROAD und dem Erbe von Mark Shelton Abschied von der Legende, die im vergangenen Sommer viel zu früh diese Erde verlassen hat. In einer opulenten, 24 Songs umfassenden Session werden nahezu alle Stationen von MANILLA ROAD musikalisch nachgezeichnet. Auf der Bühne steht natürlich primär die letzte Besetzung der Band, und Unterstützung findet man von alten Kollegen und Weggefährten, welche im Wechsel die Bühne betreten und mitwirken. Sänger Bryan Patrick führt emotional durchs Programm und würdigt sehr respektvoll alle Mitwirkenden und natürlich auch die Songs selbst. Mit dabei sind unter anderem die alten Band-Drummer Rick Fisher und Randy Foxe sowie Kalli von Abandoned/Masters Of Disguise, Battle-Ram-Gitarrist Gianluca Silvi, Jarvis Leatherby von Night Demon, Candlemass-Bassist Leif Endling, Visigoth-Frontmann Jake Rogers, der derzeitige Bonfire-Sänger Alexx Stahl und Crystal-Viper-Frontfrau Marta Gabriel. Vom Gänsehaut-Opener 'Necropolis' bis hin zum fulminanten, allerletzten Track 'Heavy Metal To The World' liefert dieses Kollektiv einen denkwürdigen wie angemessenen Abend für Shelton, der dadurch noch ein Stück mehr unvergessen bleibt. 

Wer danach noch nicht genug hat, begibt sich in die nahe gelegene Kellerbar des benachbarten Sportheims, wo bis zum Sonnenaufgang buchstäblich der Punk und NWOBHM abgeht. Ein DJ und eine DJane wissen ganz genau, was sie tun, haben als Mitstreiter noch einen Kumpel im Gepäck und bringen das Gewölbe so richtig zum Kochen. Die das erste Mal offiziell stattfindende Aftershow Party entschädigt für so vieles, das am heutigen Tag nicht ganz rund und zufriedenstellend lief.

SAMSTAG:

Während mancherorts noch Frühstück oder wahlweise Mittagessen auf dem Programm steht, entert mit den IDLE HANDS die größte positive Überraschung des diesjährigen KIT-Billings um viertel vor Zwölf die Bühne. Die Band, die sich erst 2017 in Portland, Oregon gegründet hat, passt auf den ersten Blick nicht so ganz in den truen Kosmos des Festivals, umso höher ist es den Machern anzurechnen, dass der Band ein Slot im Billing eingeräumt wird und zur Not eben zu frühester Stund. Der melancholische Sound des Five-Piece klingt interessanterweise nach ganz vielen Einflüssen, die von Sisters Of Mercy, Joy Division, The Cult, The Cure und den ebenfalls aus Portland stammenden Soft Kill bis hin zu klassischen Heavy-Metal-Acts der Prägung Maiden, Priest und Accept reichen, ohne mit einem der genannten Acts übertrieben zu kokettieren. Auch wenn Sänger Gabriel Franco stimmlich heute nicht immer so ganz die Töne trifft, was sich vielleicht auf die Uhrzeit zurückführen lässt, überzeugt der Hüne durch sein arschcooles Stageacting in gesamt-schwarzen Outfit, Handschellengürtel und Achtziger-Sonnenbrille, das die musikalische Variabilität der IDLE HANDS auch visuell gut auf den Punkt bringt. Die vorletzte Nummer 'Don't Waste Your Time' wird zum Omen, denn wer hier noch nicht den dankenswerterweise in der Halle befindlichen Merchstand aufsucht, um sich noch ein Exemplar der gleichnamigen EP zu sichern, schaut in die Röhre. So kann sich der Schreiber dieser Zeilen sowohl über einen der stärksten Auftritte des diesjährigen KIT-Festivals freuen als auch über das allerletzte Exemplar des besagten Vinyls.

Bei SACRED RITE verdoppelt sich der Altersschnitt auf der Bühne gefühlt, und auch vor der Bühne scheint es einigen Hardcore-Traditionalisten nun wieder deutlich erwartbarer und damit bekömmlicher zuzugehen. Auch wenn die Fusion aus Hard Rock, Heavy- und Power Metal durchaus solide aus den Boxen dröhnt und das Engagement auf der Bühne stimmt, so untermauern auch SACRED RITE aus Hawaii, warum auch in den Achtzigern, in denen zwischen 1984 und 1986 die Grundsubstanz der Band geschaffen wurde, nicht mehr für die Band bereitgehalten wurde als höfliche Anerkennung. Am ehesten funktionieren die vier Nummern aus dem Debüt, doch auch die sind kein gehobener Durchschnitt – sondern halt Durchschnitt. Mit der Beatles-Coverversion von 'Eleanor Rigby' führt die Band bildlich vor Augen und Ohren, wo der Unterschied zwischen musikalischer Essenz und nahezu Beliebigkeit liegt.

WITHERFALL hingegen stehen bei Liebhabern von progressivem, melancholischem und tiefgründigem Power Metal hoch im Kurs. Das Keyboard ist ein dominantes Element und kein Beiwerk – und die Songs helfen so manchem Zuschauer dabei, seinen Herzschmerz zu bewältigen. In Bayern sagt man dazu: Wers mog… Der Rezensent gehört dabei zur „Na“-Kategorie. Aber die Kanadier bieten objektiv gesehen kaum Angriffsfläche und sorgen unter den Fans in den ersten Reihen für ordentlich Stimmung und Mitsing-Aktionen. Am meisten sind die Supporter bei 'Moment Of Silence' sowie dem ruhigeren 'Ode To Despair' am Ende des Sets aus dem Häuschen. Starker Gig!

Nachdem Cancelmass das Unglaubliche fertig-bringen, und die Keep-It-True-Fans nun bereits das zweite Mal enttäuschen (eine weitere Absage einer verwandten Veranstaltung nicht mitgezählt), muss jemand anderer die Fahne des Doom dieses Jahr hochhalten. Es gibt ja keine Züge und Busse in Schweden – ein Flugstreik macht es unmöglich, von dort nach Deutschland zu gelangen! Ironie aus: SOLSTICE retten die stilistische Ausgewogenheit des Tages und haben nach der Trennung von Sänger Paul Kearns heute Felipe von u.a. Procession am Mikro dabei. Der gute passt optisch und stimmlich hervorragend zu den Briten und gibt bei 'White Horse Hill' gleich einen tollen Einstand ab. Sound und Zusammenspiel der Band sind perfekt, und es kommt so richtig Stimmung in der Halle auf. Mit 'To Sol A Thane' folgt ein weiteres Stück von der neuen Platte, ehe der Klassiker 'The Sleeping Tyrant' vom „A New Dark Age“-Meilenstein die erste andauernde Ganzkörper-Gänsehaut des Tages heraufbeschwört. Dies sind die Lieder der mächtigen Emotionen. Episch, reinigend, edel, wunderschön und erhaben! 'Death Crown's Is Victory' kehrt gelungen in die Neuzeit zurück, ehe 'Cimmerian Codex' allen Doom-Jüngern noch einmal einen Ohrgasmus beschert, ehe einer der drei stärksten Gigs des gesamten Festivals leider ein zu frühes Ende nimmt. Ganz großes Kino!

Das nächste „Spezial“ des Festivals hört auf den Namen TEXAS METAL LEGION. Dahinter verbergen sich u.a. die Saitenfraktion von Juggernaut, Gitarrist Art Villareal (u.a. Karion, S.A. Slayer) sowie die beiden Sänger Jason McMaster (Watchtower) und Mike Soliz (Militia). Gemeinsam wird die texanische Metal-Szene der frühen 80er aufgearbeitet, was sich durch ein Potpourri insbesondere von S.A. Slayer, Karion, Militia und Watchtower auszeichnet. Jason McMaster übertrifft sich in den von ihm gesungenen S.A.-Slayer- und Watchtower-Songs selbst, die Performance sorgt in der Audience für mächtig Respekt. Soliz konzentriert sich auf die Militia- und die Karion-Songs und singt noch ebenso überragend wie 2009 zuletzt auf dem KIT mit dem kompletten Militia-Programm. Mit dem Accept-Cover 'Breaker' verabschiedet man sich von der Bühne.

Danach wird es das erste Mal am heutigen Tage ruppig, rotzig, dreckig und böse. MIDNIGHT kommen, sehen und black'n‘rollen alles in Grund und Boden! Wer die Amis in der letzten Zeit irgendwo live gesehen hat, weiß, dass sie in der Form ihres Lebens sind und derzeit alles und jeden mit links wegblasen. Wer nach dieser Band auf die Bühne muss, hat gewöhnlich verloren. Niemand deibelt so giftig, besessen und cool ins Mikro wie Sänger und Bassist Jamie Walters. Seine Mitstreiter gehen ebenfalls wie von der Tarantel gestochen ab und wissen mit wildem Stageacting und ständigem Anfeuern des Publikums zu gefallen. Die Zuschauer fressen MIDNIGHT aus der Hand und entfachen den mit Abstand brutalsten Moshpit des gesamten Festivals. Auffällig ist heute, dass es tendenziell wieder etwas mehr ältere Songs und Raritäten in der Setlist gibt. Jeder Einzelne der Musiker ist spielerisch voll auf der Höhe und mit dem darzubietenden Material unterfordert, wodurch die Tightness und der Drive nicht von dieser Welt sind. Aggressionslevel und Adrenalin kochen bei Band und Publikum, 'Evil Like A Knife', 'Lust, Filth And Sleaze' und der Hit 'You Can't Stop Steel' knallen heute am meisten. Schön ist auch das von Jamie eingeleitete Spiel, ihn mit Bierbechern zu bewerfen, dem das Publikum bestens nachkommt. Killer-Gig!

CULPRIT haben es nach der vorherigen Machtdemonstration trotz anderem Sound und Publikum merkbar schwer. Von der Originalbesetzung der 1981 gegründeten Band aus Seattle ist nur noch Bassist Scott Earl übrig. Die Amis veröffentlichten mit „Guilty As Charged!“ auch gerade mal ein Album, weswegen deren Material vielen Anwesenden gänzlich unbekannt zu sein scheint. Spielerisch lässt die Band nichts anbrennen, aber kann sich inmitten der bereits gesehenen Highlights und der noch folgenden Koryphäen nicht wirklich gut behaupten. Vielleicht wäre es hier weise gewesen, einen etwas früheren Slot im Billing auszuwählen. Was bleibt, ist eine solide, gutklassige Show, aus der das Stück 'Players' am meisten heraussticht.

Das Highlight des diesjährigen Festivals ist nicht nur aus Sicht des Schreibers VICIOUS RUMORS, die vom Publikum frenetisch abgefeiert werden, und das auch vollkommen zu Recht. Nicht nur die Darbietung des gesamten „Digital Dictator“-Album liefert die berechtigte Hoffnung, hier Zeuge eines denkwürdigen Auftritts zu werden. Auch die Ankündigung, der Sohn der verstorbenen Sangeslegende Carl Albert, Keven Albert, werde das Set der Kalifornier einmalig bestreiten, weckt Interesse. Und dann steht er da, der ebenfalls nicht sonderlich großgewachsene Spross von Carl, der zunächst recht zurückhaltend und leicht deplatziert über die Bühne tigert und den Eindruck erweckt, als hätte man dem Roadie den Auftrag erteilt, heute Abend mal die Rampensau raushängen zu lassen, weil der richtige Sänger erkrankt ist. Und dann singt der Kerl nahezu auf dem Level, auf welchem sein Vater die Alben „Digital Dictator“, „Vicious Rumors“, „Welcome To The Ball“ und „Word Of Mouth“ zu unsterblichen Klassikern avancieren ließ! Purer Wahnsinn, was Keven Albert an diesem Abend an gesanglicher Qualität und Aura auf die Bühne bringt und sich neben den beiden alten Recken Geoff Thorpe und Larry Howe so behauptet, als hätte er nie was anderes gemacht, als Evergreens wie die gefeierten 'Towns On Fire', 'Lady Took A Chance', 'Worlds And Machines', 'Out Of The Shadows' oder 'Digital Dictator' rauszuhauen. Als wäre die Performance des Zweitwerks nicht schon genug, gibt es als Bonus noch drei Nummern vom besten VR-Album ever obendrauf, vom selbstbetitelten Album folgen die Nummern 'Down To The Temple', 'Hellraiser' und zusammen mit dem aktuellen Frontmann Nick Courtney noch der Brecher 'Don't Wait For Me' zum Abschluss dieser Lernstunde in US-amerikanischem Power Metal. Mehr geht nicht!

Dass SATAN danach die Messlatte nicht mehr überschreiten können, liegt weniger an den Briten selbst, sondern mehr an der bestechenden Form, die VICIOUS RUMORS an den Tag gelegt haben. Dennoch versteht es Brian Ross, seine Anhänger äußerst unterhaltsam auf die Zeitreise durch die SATAN-Biograpfie mitzunehmen, die ihre Schwerpunkte natürlich beim Debüt „Court In The Act“ mit fünf, bei „Life Sentence“ mit vier und beim aktuellen Album „Cruel Magic“ ebenfalls mit vier Nummern verortet haben. Mit den beiden Klassikern vom Debüt, 'Trial By Fire' und 'Blades Of Steel', eröffnen SATAN ihr Set, und die Spiellaune der fünf Musiker springt sofort über auf die nun endlich ins Dunkel gehüllte Halle, die ebenso mächtig Bock auf die Messe hat wie die Band selbst. Ross lässt sich zwischen den Songs immer wieder zu zum Teil recht langen Ansagen hinreißen, die aber dennoch sympathisch und mit gutem britischem Humor daherkommen.

Es gibt Dinge, die kann sich ein Fan nicht vorstellen. Motörhead noch mal live zu sehen – nein. Das ist Fakt. Bolt Thrower? Wohl kaum. H-Bomb? Nee, das wird auch nichts. Und damit nähern wir uns SORTILÈGE. Diese französische Vorzeige-Band zu Gesicht zu bekommen, klang so unwahrscheinlich wie der Umzug des Eiffelturms nach Lauda-Königshofen. Dachte sich auch Sänger Zouille, der seine „Überraschung“ über das Wiedersehen nach gut zehn Jahren mit dem KIT glaubhaft und sehr charmant rüberbringt. Der zweite Gig der „Reunion“-Tour steigt also in Deutschland, es war damit wohl auch der erste Gig auf deutschem Boden: Mit dabei sind Christian "Zouille" Augustin, Didier "Dem" Demajean, Daniel "Lapin" Lapp und Jean-Philippe "Bob Snake" Dumont sowie die permanenten Gäste Nicklaus Bergen (ADX) und Bruno Ramos an den Gitarren und Lynda Basstarde als zweite Sängerin. Schon nach ein paar Sekunden ist trotz vielleicht etwas zu lauten Basses klar: SORTILÈGE reihen sich nicht in die Liste überflüssiger Wiedervereinigungen ein. Der 60-jährige Sänger ist körperlich und stimmlich absolut gut in Schuss. Klar, die ganz hohen Töne schafft er vielleicht nicht mehr, aber dafür überstand er eine Stimmband-OP und hat als Ergänzung die großartige Lynne dabei. Dieses Duo (plus ihrer großartigen Band) holt aus dem grenzgenialen Songs noch mehr heraus, gerade mit den ruhigeren Titeln erzählt die Band tolle Geschichten, es scheint, als zaubern die Franzosen ganze Märchen und Legenden auf die Bühne des KIT. Die 100 Minuten mutieren zum Triumphzug voller großer Emotionen, mit ungezügelter Leidenschaft und totaler Ehrlichkeit. Gerade im Vergleich zu Frankreichs Megasellern Trust wirken SORTILÈGE so unendlich viel sympathischer. Es scheint, als hätte die Combo noch mehr Spaß als die Fans. Und als das Publikum bei der Zugabe „Sortilège“ vollkommen ausflippt, da ist klar, dass dies ein unvergesslicher Auftritt ist, ein Gig, der für immer im Kopf bleibt – oder, um dem Namen der Band gerecht zu werden: Das ist wie Zauberei! Und eigentlich unvorstellbar!!! Diese Songs spielten SORTILÈGE auf diesem fantastischen Konzert: ,Marchand d'Hommes', ,Majesté', ,Messager', ,La Montagne qui Saigne', ,D'Ailleurs', ,La Hargne des Tordus', ,Gladiateur', ,Délire d'un Fou', ,Progéniture', ,Métamorphose', ,Amazone', ,Civilisation Perdue', Mourir pour une Princesse', ,Quand un Aveugle Rêve', ,Chasse le Dragon'. Zugabe: ,Sortilège'.

Und damit geht ein wieder einmal mehr als gelungenes Keep It True Festival eindrucksvoll zu Ende - uch wenn es dieses Jahr aufgrund des schlechten PA-Sounds, insbesondere an den ersten zwei Dritteln des Freitags, der unnötigen Verspätung von John Cyriis und der erneuten Absage von Cancelmass mehr Schatten als sonst im vielen Licht gab. Was ebenso noch angemerkt werden muss, ist, dass die Menge des vorhandenen Essens vor der Halle besser disponiert werden muss. An beiden Tagen war ab frühem Abend so gut wie alles Essbare abseits der Pommes Frites so ziemlich ausverkauft. So mancher Fan musste deshalb zur Nahrungsaufnahme in den Ort laufen und verpasste so Auftritte oder zumindest Teile davon. Nichtsdestrotrotz freut sich die Legacy-Delegation schon wieder sehr aufs kommende Jahr, für das neben einer Doppel-Headlinershow von Cirith Ungol bereits u.a. Heathen, Vulture, Sabbat, Visigoth, Genocide und Metalucifer angekündigt sind.

Text: Harald Deschler, Markus Wiesmüller und Bruno Kaiser