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John versucht jegliche Religiosität von sich zu weisen, hadert aber dennoch mit einer gewissen Transzendenz: „Ich bin weder religiös noch spirituell. Wenn es einen Gott gibt, wird es etwas sein, was wir nie verstehen werden. Vielleicht sind wir auch ein einziges Bewusstsein und wir alle, die das Universum betrachten, sind ‚Gott‘. Möglicherweise ist unser Universum eines von vielen und nur eine Ziffer im Plan Gottes. Ich weiß es nicht und werde es auch nie erfahren. Ein Mensch in einer schwarzen Robe, der dir von einem Buch erzählt, das alle Antworten hat, ist ein Blender und ein Stück Scheiße. Die Bibel, der Koran und die Thora sind interessante Bücher. Es sind historische Zeugnisse, aber größtenteils Fiktion. Es sind Anekdoten, Fabeln und Geschichten, die eine Lektion in Moral bezwecken.“ Religionen sind nicht a priori schlecht: „Die Suche nach einer Religion ist unterschwellig die Angst vor dem Tode. Religion ist für jene, die nicht damit klarkommen, eines Tages nicht mehr zu atmen, kalt zu werden, vergraben in eine Erde, die um die Sonne kreist. Bis die sich aufbläht, die Erde verschluckt und dann selber stirbt. Das Problem mit Religion ist, dass ein Christ, Moslem oder wer auch immer nie eingestehen wird, dass er auch falsch liegen könnte. Ich kann dem zustimmen, aber verdammt, auch ich könnte falsch liegen. Der christliche Glaube lässt keinen Raum für Skeptizismus.“

Antichristlich zu sein, bedeutet im engeren Sinne ja nicht, Satan anzubeten. John kann dem Teufelskult auch nicht viel abgewinnen: „Theistischer Satanismus ist für mich nur eine wütende Form der Christentums. Atheistischer Satanismus stärkt die Persönlichkeit ohne die Unterstützung durch Gott oder einen Führer. Wenn es dich davor bewahrt, ein Arschloch zu sein, wieso auch nicht? Wir müssen uns alle irgendwann mit unserer Sterblichkeit und dem Tod auseinandersetzen. Wie wir damit umgehen definiert, ob wir gute Menschen waren. Mitgefühl für andere ist der beste Weg, im Leben klarzukommen.“

Verlassen wir nun die Spielwiese der Philosophie für einen kurzen Augenblick und wenden uns profaneren Dingen zu. Zum Beispiel der Musik, und die ist bei SERAPHIM SYSTEM schwer in adäquate Worte zu fassen. Die Selbstbeschreibung als Industrial Bass Music passt irgendwie, wirft aber dennoch Fragen auf. John: „Ich habe mit SERAPHIM SYSTEM 2013 angefangen, als eine Verschmelzung von Industrial, Drum‘n‘Bass, Dubstep, House, Aggrotech und weiteren Genres. Industrial Bass Music war eine akkurate Beschreibung aller Elemente, die ich verwendete, als ich die Musik ursprünglich erschuf. Es hat sich stetig weiterentwickelt. Auf „Automaton Assisted Annihilation“) wurden Elemente des HipHop aufgenommen und danach Einflüsse des Black Metal wie jetzt auf „Luciferium“. Die Musik von SERAPHIM SYSTEM wird sich immer weiterentwickeln und verändern. Ich lote ständig meine Grenzen aus und forsche, welche Variablen ich in meiner künstlerischen Gleichung hinzufügen kann.“

John ist ein Nonkonformist, sowohl musikalisch als auch von seinem Auftritt her. Er ist ein Chamäleon der extremen Musik: „Ich tendiere dazu, zwischen den Szenen zu wechseln. In meinen frühen Teenie-Jahren stand ich total auf Punk und Ska. Später drehte sich alles um Black Metal. In meinen frühen Zwanzigern kam ich zum elektronischen Industrial und dem Hardcore Punk. Ich mag die unterschiedlichsten Stilrichtungen. Eine Zeit lang war ich vernarrt in Bluegrass und Country. Ich höre auch Jazz, Reggae und klassische Musik, genau so wie Drone Doom und Nihilistic Funerary Depressive Doom Metal (Grundgütiger! - Anm. d. Verf.) Meine optische Erscheinung richtet sich nach dem, auf was ich in diesem Moment stehe.“ Bei diesem Überfluss lässt sich auch das Zielpublikum nicht immer exakt ausmessen. John: „Es ist offensichtlich, dass meine neueren Sachen eher Metalheads und Fans von Old School Industrial ansprechen. Daran orientiere ich auch die Ästhetik. Meine früheren Sachen hatten kein definiertes Zielpublikum, da sie dermaßen viele unterschiedliche Styles umfassten. HipHop-Fans mochten sie wegen den wütenden Industrial-Elementen nicht, und die Industrial-Leute lehnten sie wegen des HipHop ab. Aber man kann nicht jedem gefallen. Ich mache, was ich möchte, und kann auch mit den Konsequenzen umgehen. „Luciferium“ zielt bewusst ab auf die Metal- und Industrial-Szene, und davon habe ich schon einen Plan.“

Auf dem Facebook-Profil von SERAPHIM SYSTEM sind zahlreiche Memes mit Donald Trump gepostet. John wäre aber nicht BL4KJ4K, wenn er auf diesen „Trumpel“ lediglich eindreschen würde: „Ich war nie bei einer Trump-Veranstaltung. Aber als einmalige Erfahrung fürs Leben wäre ich doch gerne mal hingegangen. Er bietet selber eine Steilvorlage für Jokes. Er ist ein einfaches Ziel, weil er unausstehlich ist, vor allem für jene Menschen in meinem sozialen Umfeld. Aber ich mache mich auch gerne über Hillary Clinton lustig. Ich mag beide nicht in diesem Kasperle-Theater. Ich bin weder liberal noch konservativ, weder ein Republikaner noch ein Demokrat. Ich kack auf das alles, denn meine Stimme zählt eh nicht, außer ich wäre reich.“

Auch wenn er den polternden Republikaner nicht mag, fürchtet John sich nicht vor dem, was nun kommen mag: „Nie und nimmer. Alles wird so weitergehen wie bisher, gesteuert vom Geld bestimmter Interessen der Regierung. Wir konnten hier in den USA den Aufstieg der ‚alt-rights‘ (rechtsextreme Gruppierung, die bevorzugt im Internet agiert. - Anm. d. Verf.) beobachten, die den White-Power- und Neo-Nazi-Gruppen eine Bühne bieten. Sie sind faschistische Randerscheinungen, die seit der Wahl Trumps in den Mainstream vordringen. Ich habe keine Angst von denen. Wenn irgend so ein ‚alt-right‘-Arsch mir oder einem meiner Liebsten etwas antun möchte, werde ich wuchtig zurückschlagen.“ Von der Menschheit an sich erwartet John nicht viel: „Es liegt in der Natur des Menschen, sich selber zu zerstören. Ich glaube nicht an eine Zukunft, in der alle Menschen friedlich nebeneinander existieren. Wenn es nicht die Religionen sind, die die Menschen gegeneinander aufbringen, wird es etwas anderes sein. Seit der Mensch das tödliche Potential eines Steines oder Knochens entdeckt hat, vergoss er im Namen von allem und jedem Blut.“

Doch wo liegt nun die Botschaft, die John über SERAPHIM SYSTEM vermitteln will? John: „Schwierige Frage. Jeder empfängt eine andere Message, die auf seinen Erfahrungen basiert. Die einen finden, dass das ideale Partymusik ist, die anderen hören sie, während sie gamen. Es wird auch solche geben, die die Musik hören, weil sie total angepisst sind. Und vielleicht suchen andere nach versteckten Botschaften. Für mich geht es immer ums Erschaffen und Verbinden. Ich finde die Vorstellung total geil, dass irgendwo auf der anderen Seite der Welt jemand die Musik genießt, die ich erschaffen habe. Dieser Mensch hat noch nie mit mir gesprochen, und doch habe ich eine Verbindung hergestellt. Um das geht es.“ Zum Schluss muss die Frage nach seinem Pseudonym einfach kommen. Die Antwort ist überraschend einfach: „Der Name verwende ich schon ewig, wenn ich Online-Games auf Xbox oder PC zocke. Und irgendwie ist der Name über all die Jahre hängengeblieben. Ich hatte einst die Idee, mein Projekt BL4KJ4K zu nennen. Ich habe dann aber entschieden, dass ein ikonischer Name wie SERAPHIM SYSTEM besser zu Industrial passt.“

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