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Mit dem Eindhoven Metal Meeting und ähnlichen Veranstaltungen ist das Vienna Metal Meeting in eine schöne Festival-Familie eingebunden, die organisatorisch viel Erfahrung hat und bezüglich Line-Up in der Regel ein glückliches Händchen besitzt. So auch bei der Ausgabe in Wien, die derzeit noch lediglich einen Tag andauert und in der Arena Wien, so etwas wie einem linken Kulturzentrum mit einer Indoor- und einer Outdoor-Bühne, stattfindet. Als Headliner hat man Opeth verpflichtet, wobei viele Namen des Festivals als heimliche Headliner fungieren, so zum Beispiel Necrophobic oder auch Sólstafir sowie Rotting Christ. Es wird also einiges geboten, und auch wenn man als einzelner Legacy-Redakteur nicht alles abdecken kann, soll doch mit einem kleinen Blitzlicht auf das schnieke Festival aufmerksam gemacht werden.

ChapelOfDisease
Für das Legacy startet das Festival mit CHAPEL OF DISEASE, die spontan für Agent Steel eingesprungen sind – informierte Metalheads wissen, dass die Truppe schon seit einigen Jahren mit Wahnsinn und Last-minute-Absagen von sich reden macht – und um 15:45 auf der Indoor-Bühne loslegen, als hätten sie sich wochenlang auf den Gig vorbereitet. Respekt zunächst aber für die Wienerinnen und Wiener (sowie natürlich für alle angereisten Gäste von außerhalb), die Halle der Arena ist schon ziemlich gefühlt, als die Jungs loslegen und so viel Zuspruch wie heute bekommen die Nordrhein-Westfahlen wahrscheinlich nicht jeden Tag. Ihr schmucker Death Metal, der gerne melodiöse und auch progressive, sprich: etwas komplexere, Passagen inkludiert, kommt beim Publikum gut an und führt zu ausgestreckten Fäusten und lauten Gröhlorgien. Frontmann Laurent Teubl macht sich unprätentiös gut als Death-Metal-Vocalist und verleiht dem Gig den nötigen Biss. Bruder Cedric an der Gitarre weiß auch als Blickfang zu dienen und wirkt mehr als locker, wenn er die Gitarrensalven in die Menge feuert. Man ist traurig, dass der Gig schon nach 45 Minuten zu Ende geht, freut sich aber gleichzeitig darauf, noch ein paar Song von CHRIS HOLMES’ MEAN MAN mitzukriegen, die gerade auf der Open-Air-Stage loslegen.

Chris Holmes Mean Man
Erstaunlich leer ist es vor der Bühne des ehemaligen W.A.S.P.-Gitarristen. Vielleicht hängt es trotz der bunten Mischung des Line-Ups damit zusammen, dass extremer Metal höher in der Gunst des Publikums steht als klassischer Hard-Rock. Vielleicht weiß aber auch niemand so genau, was CHRIS HOLMES als „gemeiner Mann“ eigentlich vor hat und was das alles soll. Sei es wie es sei, den Gig darf man nicht gerade als spektakulär bezeichnen, aber der gute Mann hat mit ,Animal‘ und ,Wild Child‘ durchaus ein paar Klassiker dabei, die er auch nicht schlecht vorträgt. Die Sause hat jetzt nicht gerade die Energie eines klassischen (nicht heutigen!) W.A.S.P.-Gigs, aber es macht Spaß, einige der Gassenhauer auf einem Festival zu hören und Chris Holmes – so muss ein abgefuckter Rock’n’Roll-Star aussehen und abgehen – zuzuschauen, wie er die Gitarre bearbeitet. Im Laufe des Gigs füllt sich das Gelände vor der Bühne dann doch noch etwas, und man ist froh, dass man dem einstigen Rock-Helden ein paar Minuten geschenkt hat – denn grundsolide war dieser Auftritt sicherlich.

Our Survival Depends On Us

Zurück im Indoor-Bereich machen sich die österreichischen Sludge/Black Metal/Experimental/Doom/Was-weiß-der-Teufel-was-Metaller OUR SURVIVAL DEPENDS ON US warm, schließlich wollen sie ihr neues Album „Melting The Ice In The Hearts Of Men“ vorstellen, welches am 8. Februar via Ván Records in die Läden gekommen ist. Nach dem Chris-Holmes-Gig ist man leider schon zu spät, um noch einen guten Platz direkt vor der Bühne zu ergattern, also muss man auf die Tribüne, aber auch hier ist es schwierig, eine gute Sicht zu erhalten. Macht aber nichts: Es spricht für die Truppe, dass sie so viele Fans anzieht, und an dieser Stelle mag man überhaupt einmal die Crew des Festivals loben, denn der Sound ist über weite Strecken – über den Necrophobic-Gig wird noch zu reden sein – gut bis sehr gut. So auch bei der OUR-SURVIVAL-DEPENDS-ON-US-Show, deren Gig man somit verfolgt, ohne wirklich etwas sehen zu können. Macht aber nichts, es gibt einige langgezogene Songs zu hören, die mit viel Psychedelic- und Experimental-Parts angereichert sind – das Publikum weiß, was es bekommt und genießt es sichtlich. OUR SURVIVAL DEPENDS ON US gehören sicherlich zu den Siegern des Festivals.

Nach den drei Gigs braucht es zunächst einmal eine Toilette (die Situation ist – wie immer – larifari, auch wenn man sich sichtlich Mühe gegeben hat, mehr Toiletten bereit zu stellen als letztes Jahr) und etwas zu trinken und essen. Die Schlangen bei den Foodtrucks und den verschiedenen Bars sind lange, aber die Stimmung ist so gut, dass man die Zeit gerne in Kauf nimmt, nicht zuletzt um mit bekannten Gesichtern aus der Szene (z.B. Misanthropic Might, Veranstalter Roman selbst, et cetera) ein paar Worte auszutauschen oder sich zumindest wohlwollend zuzunicken. Der Foodtruck mit Hot Dogs ist – wie schon letztes Jahr – natürlich der Knaller, nicht nur aufgrund der drei Verkäufer, die alle ein „Sex, Drugs & Käsekrainer“-Shirt tragen, sondern weil die vegane Tofuwurst mit scharfem Senf nach wie vor unschlagbar ist. Zwar ist das Verhältnis von Brot zu Wurst verbesserungsfähig, aber als Vegetarier soll man ja auch etwas bestraft werden – das geht in Ordnung.

Rotting Christ
Mit einer Whiskey-Cola in der Hand marschiert man vor die Open-Air-Stage, bei welcher Sakis und Konsorten von ROTTING CHRIST gerade den Soundcheck absolviert haben und sich bereit machen, das neue Album „The Heretics“ vorzustellen. Der Anzahl an T-Shirts auf dem Festival-Gelände zu schließen, haben sich hier viele eingefunden, um die griechische Schwarzmetall-Legende zu begutachten. Man kann es verstehen: Das letzte Album kann etwas, findet aber vielleicht dennoch auch zu wenig Beachtung. Aber: Sakis ist sowieso schon ein „Knuddelbär“ des Black Metal und wenn dazu noch Sonnenschein und launige Ansagen des Masterminds kommen, fällt es einem schwer, den Krieg gegen das Christentum aufzunehmen. Macht aber irgendwie auch nichts, die Menge feiert ROTTING CHRIST eigentlich von Minute eins an ab und Sakis kriegt sogar den Wunsch erfüllt, dass sich ein Moshpit bildet (wenn auch mit überschaubarer Motivation). Natürlich startet man mit ,Hallowed Be Thy Name‘, wobei vor allem der Gassenhauer ,Fire, God And Fear‘ überzeugt, wenn man vom neuen Album spricht. Mit ,The Forest Of N’Gai‘ nehmen uns die Griechen dann auch noch in die Vergangenheit mit, wobei allgemein ein feiner Mix aus alten und neuen Tracks dargeboten wird. Das macht Spaß, was Sakis da so zelebriert, nicht zuletzt weil auch Live-Gitarrist Giannis Kalamatas einiges dazu beiträgt, dass Frauen (und Männer) etwas zu sehen haben. Passt, sitzt und hat Luft!

Amenra
Wer danach noch gut im Saft ist, kann sich gleich zu AMENRA begeben, sicherlich die ungewöhnlichste Band des Festivals darstellen – weil verkopft, mit Video-Show und beeindruckender Ernsthaftigkeit – die aber noch mit einem Soundcheck beschäftigt ist, als man von Rotting Christ das Gebäude betritt. Bald geht‘ dann aber los und man merkt ziemlich schnell, was für ein Bruch das gegenüber dem pfeilschnellen Black Metal unter einem sonnengefluteten Wien darstellt – cool aber, dass im Hintergrund auch eine visuelle Untermalung in Form eines Videos läuft, sowie überhaupt die Licht- und visuellen Effekte eine zentrale Komponente des gesamten Gigs darstellen. Sänger Colin beginnt auf Knien singend und vom Publikum abgewandt, was noch eine zusätzlich Intensität erzeugt – „artsy“ muss man das wohl nennen.


Wem das etwas zu viel ist, der kann in das gegenüberliegende Gebäude schlendern, bei welchem eine Bier-Bar sowie Merchandise untergebracht ist. Die Auswahl ist nicht überragend, aber die Bands, die spielen, haben einige coole Sachen mitgebracht. Auch preislich ist das ziemlich in Ordnung – ein Necrophobic-Shirt kostet zum Beispiel 20 Euro. Auch die Toiletten sind ein kleiner Geheimtipp, denn während im Hauptgebäude mit der Bühne das Damenklo im Laufe des Abends komplett überflutet ist (so berichtet mir eine Augenzeugin), kann man hier noch Hoffnung haben. Bierpreise à la 4,90 sind in Ordnung, wenn man bedenkt, dass ein Euro Pfand auf dem Becher ist.

unleashed
Nach dem Shoppingtrip stehen de facto schon UNLEASHED aus Schweden auf der Bühne, die schlicht und ergreifend das genaue Gegenteil von Amenra darstellen, denn sie kommen auf die Bühne, stöpseln ein und legen mit ,Blood Of Lies‘ einfach los. Kein Konzept, kein Herumgeblöde, metal to the fucking bone. Und einige der Gäste sind auch wegen den Schweden und deren kompromisslosem Death Metal hier. Das neueste Album „The Hunt For White Christ“ ist nicht das stärkste der Diskographie, zeigte aber, dass man nach „Dawn Of The Nine“ noch etwas zu sagen hatte, auch wenn der Innovationsgrad sich (natürlich!) in Grenzen hielt. Drauf geschissen, die Festivalbesucher wollen die Haare schütteln und Johnny dabei zuhören, wie er Wikingersagen und –mentalitäten ins Mikrofon grunzt. Das tun die Schweden auch und haben mit ,Don’t Want To Be Born‘, ,They Came To Die‘ und ,Your Children Will Burn‘ einiges auf Lager, das abgefeiert wurde. Natürlich darf der Titeltrack ,The Hunt For White Christ‘nicht fehlen, beziehungsweise man zelebriert am Schluss noch ,Execute Them All‘ und ,Into Glory Ride‘ (eine Hymne auf all die geilen Bands, die heute hier spielen). Natürlich gibt’s dann noch ,Death Metal Victory‘ und ein Singspiel, ist ja klar. An Johnny und seinen Mannen gibt es nichts auszusetzen, UNLEASHED spielen exzellente Festivalmucke, welche einen heiß auf den Abend macht.

Solstafir
Zeit, sich Benighted in der Halle anzuschauen, bleibt leider nicht, denn wer SÓLSTAFIR genießen und würdigen will, der muss gleich vor Ort bleiben und seinen Platz auf dem Field verteidigen. Die Isländer bringen – wie so oft – gleich den Wettergott mit. Bis gegen 20 Uhr hatte man Glück und das instabile Wetter hielt, aber pünktlich zum Gig-Beginn beginnt ein dauerhaftes Nieseln und Regen, sodass es sich lohnt, den Poncho auszupacken. Eigentlich aber Glück für SÓLSTAFIR, denn der Regen ist zu schwach, um jemanden zu vertreiben, und so findet die melancholische Stimmung den perfekten Wiederhall im meteorologischen Umfeld. SÓLSTAFIR sind auf diesen Gig vorbereitet, haben alles im Griff und sichtlich Freude daran, eine Stunde vor den Wienerinnen und Wienern performen zu dürfen. Am Bass hat man Ragnar Zolberg mitgebracht, der beim Song ,Fjara‘ die weiblichen Vocals übernimmt und ansonsten über die Bühne fetzt und sich mit Frontmann Aðalbjörn duelliert – die beiden haben sich sichtlich gefunden und wollen auch ein bisschen den Rockstar raushängen lassen. Gitarrist Saepór ist dafür die Ruhe in Person, und zwar so sehr, dass man das Gefühl hat, dass während der ganzen Stunde sein Hut sich nicht um einen Millimeter bewegt hat. Die Isländer zocken de facto ein Best-Of ihrer letzten Alben, was dazu führt, dass das Publikum begeistert dabei ist und in den Klängen schwelgt. Zum Abschluss gibt es ,Goddess Of The Ages‘, welches mit viel Spaß und Pathos vorgetragen wird, ehe der Gig unter lauten Zugabe-Rufen zuende geht. Eine runde und schöne Sache!


Für OPETH, den eigentlichen Headliner, wird es nun ungemütlicher, denn es bleibt nicht nur regnerisch, sondern es kommt auch ein ordentlicher Wind auf und die Kälte beginnt einem in die Glieder zu fahren. Da rennt man doch gerne in das so genannte Arena Beisl, das mehr als gut gefüllt ist, um sich nach Sólstafir aufzuwärmen und ein oder zwei (oder drei) Bier zu trinken. OPETH vermag man dann zwar etwas zu vernehmen, aber über die Qualität des Gigs kann nur wenig gesagt werden – abgesehen davon, dass OPETH leider aufgrund von technischen Problemen gute 20 Minuten zu spät starten konnten.


Necrophobic
Dafür stehen heute um 23 Uhr noch die wirklich-heimlichen Headliner auf der Indoor-Bühne, und zwar NECROPHOBIC aus Schweden, die mit ,Tsar Bomba‘ ihres letzten Albums „Mark Of The Necrogram“ einen Black/Death-Smashhit gelandet haben, der ständig vor dem Gig im Publikum gebrüllt wird. Die Herren haben sichtlich einige Die-Hard-Fans im Gepäck, die den Auftritt gar nicht erwarten können und zu später Stunde auch ein paar Moshpits versuchen – mit mäßigem Erfolg, wie eigentlich fast immer in Wien. Es scheint eine Mentalitätsfrage zu sein. Aber zurück zum Anfang: Unter frenetischem Applaus schreitet Mastermind und Drummer Joakim Sterner hinter seine Schießbude, die von einem großen Backdrop und zwei Side-Drops eingerahmt wird und zeigt mit seinen Stöcken sogleich das umgedrehte Kreuz – a sign of what’s to come. Dann stürmen Anders Strokirk (Sänger) sowie die beiden Gitarristen Sebastian Ramstedt und Johan Bergebäck auf die Bühne, geflankt von Alex Friberg am Bass. Mit fünf gestandenen Männern kann nicht viel schief gehen und so legt man gleich mit ,Mark Of The Necrogram‘ los, bevor man dann auch in die Vergangenheit geht und unter anderem ,Blinded By Light, Enlightened By Darkness‘ sowie ,Revelation 666‘ zum Besten gibt. Zwei Dinge gehen leider in die Hose, auch wenn der Gig sonst krachend und voller Energie ist, und zwar: Sänger Anders ist während des ersten Songs vor der Bühne de facto nicht hörbar, erst im letzten Drittel des Tracks wird der Sound besser. Außerdem funktioniert es schlicht nicht, nur die erste Hälfte eines Songtitels zu brüllen, um das Publikum aufzufordern, diesen zu vervollständigen. Alkohol und Müdigkeit haben das ihrige getan – die Leute sind noch in der Lage abzugehen wie Schmitz Katze und die Fäuste und die Haare zu schütteln, aber intellektuelle Aufgaben versanden. Macht nichts, ,Tsar Bomba‘ (es musste kommen) können dann alle mitschreien. Unabhängig von diesen zwei Fehlleistungen ist es ein massiver Gig und einer, bei dem NECROPHOBIC vor allem durch Spielfreude überzeugen können – manches wirkt wie aus der Zeit gefallen, aber es macht unfassbar Spaß, den Schweden zuzusehen und zuzuhören.

Secrets Of The Moon bleiben aufgrund von Mündigkeit und dem Alkoholpegel leider auf der Strecke, aber das wird beim nächsten Mal nachgeholt – versprochen!