Dabei gibt es die drei Locations Werk, wo größere Gruppen auftreten, die Halle, in der sich Gruppen einfinden, die traditionell mehr Zuschauerzuspruch erfahren und schließlich noch den Club, der eher kleineren Underground-Bands sowie solchen Formationen vorbehalten ist, die sich auch an etwas experimentellere Klänge heranwagen. Dass allerdings selbst im Club eher selten entspannte Atmosphäre vorherrscht, dürfte am generell regen Zuschauerzuspruch liegen. Dies trotz der Tatsache, dass die anwesenden Fans die Qual der Wahl zwischen drei unterschiedlichen Locations haben, so dass sich die Massen ohnehin schon aufteilen. Während manchmal Gedränge ohne Ende herrscht (ELECTRIC WIZARD, MANTAR, 1000MODS, DUNE PILOT), sind andere Auftritte trotz alledem sehr angenehm relaxt (ANGEL WITCH, PRISTINE).
Doch der Reihe nach: Dass sich in der Halle bereits um 16.30 Uhr relativ viele Zuschauer einfinden liegt wohl an der Tatsache, dass mit SWAN VALLEY HEIGHTS Lokalmatadoren aus der bayerischen Landeshauptstadt loslegen: Die Jungs liefern guten, aber wenig aufsehenerregenden Stoner Rock ab, der Fans gut reinläuft, aber nicht wirklich für Originalität steht. Auch die eine viertel Stunde später im Werk startenden GODSGROUND sind Münchener und erinnern des Öfteren auch mal an Wüstensöhne der Marke Kyuss, Yawning Man oder Slo Burn. Zudem findet sich eine scheinbar direkt aus den 90ern importierte Prise Alternative/Grunge im Sound der Süddeutschen wieder. In der Zwischenzeit haben schon TAMING THE SHREW im Club losgelegt, um ihrer Mischung aus 70er-Rock, Psychedelic und etwas Blues Rock zu frönen. Bei der aus Regensburg stammenden Band steht eine Dame hinterm Mikro, deren Timbre gut zu der entspannten Musik passt. Am frühen Abend geht's dann auch in der Halle mit VAN DRUNEN weiter: Dabei handelt es sich keineswegs um ein Soloprojekt von Martin von Asphyx, sondern um Southern Rock aus München, der zudem mit einer gewissen zeitgenössischen Metal-Schlagseite aufwartet. Das ist an sich nichts Besonderes, aber auch nicht wirklich schlecht. Bei den unmittelbar darauf im Club aufspielenden HIGH FIGHTER ist mit Mona Miluski ebenfalls wie bei TAMING THE SHREW eine Frau als Fronterin zugange, allerdings geht das Quintett aus Hamburg deutlich härter zu Werke als sämtliche Gruppen zuvor: Die Mischung aus Sludge und Stoner Metal, die die Norddeutschen zelebrieren, ist an sich so ungewöhnlich nicht. In Kombination mit dem charismatischen Gesang Monas entwickelt sich jedoch in gewisser Hinsicht eine eigene, unverkennbare Kante.
Mit HIGH FIGHTER sowie den kurzerhand für SATAN´S SATYRS eingesprungenen ANGEL WITCH folgen gleich zwei Bands aufeinander, die stilistisch etwas aus der Art fallen: Die coole Show der NWOHBHM-Legende dürfte ein Grund für die vergleichsweise hohe Kuttenpräsenz im Publikum gewesen sein. Ansonsten ist's im Werk bei weitem nicht so voll wie bei sämtlichen dort nachfolgenden Bands. An der Qualität des Dargebotenen kann's eigentlich nicht liegen, präsentieren die Briten ihre Musik doch mit ungemeiner Spielfreude. Zudem packen die Jungs unter der Führung von Urmitglied und Sänger/Gitarrist Kevin Heybourne eine ausgewogene Setlist mit vielen Klassikern und wenigen neuen Stücken aus. Die erwähnten Klassiker konzentrieren sich dabei zumeist auf das kultige, selbstbetitelte Debütalbum: 'Atlantis', 'White Witch', 'Confused' oder 'Angel Of Death' kommen alle zum Zuge, und natürlich darf abschließend 'Angel Witch', die Bandhymne schlechthin, nicht fehlen. Kevin übernimmt dabei den Löwenanteil der Leadgitarren, während Neugitarrist Jimmy Martin mit seiner Rhythmusklampfe in der Hand mancherlei lustige Verrenkungen macht: Die musikalische Klasse sowie überragende Bühnen-Präsenz seines Vorgängers Bill Steer versucht der Brite mit agilen Posen wettzumachen. Dies geht so lange gut bis Kevins Gitarre mal ausfällt und dieser sichtlich genervt den Soundtechniker anweist, dies wieder zum Laufen zu bringen. So wie sich das dem unbeteiligten Fan vor der Bühne darstellt, müsste es sich eigentlich nur um ein defektes Gitarrenkabel handeln, ein Kinkerlitzchen eigentlich. Kevins Klampfe funktioniert dann auch gleich wieder. Aber was Wunder, dass nunmehr Jimmy Martin von der Bühne geht (dessen Gitarre ja keinerlei Ausfall zu verzeichnen hatte), sich ein Bier schnappt und den Rest der Show aus Zuschauersicht miterlebt. Egal, die Qualität des Auftritts leidet nicht wirklich darunter, zumal Herr Heybourne ohnehin für die exzellent gespielte Leadgitarre verantwortlich zeichnet. ANGEL WITCH rocken auf jeden Fall das Backstage-Werk und liefern eine mehr als überzeugende Show ab.
Direkt im Anschluss treten parallel zueinander zwei Gruppen auf: Der Zuschauer hat die Qual der Wahl zwischen zwei Münchener Stoner Rock-Gruppen. Im Club treten DUNE PILOT auf, allerdings ist diese Location gnadenlos überfüllt, so dass man sich schon bemühen muss, um einen Blick zur Bühne zu erheischen. Bei den zeitgleich In der Halle auftretenden CULT OF THE BLACK MOON RISIN´ ist es aufgrund der Größe der Örtlichkeit dennoch leichter möglich, der Show zu folgen. Die Lokalmatadore werden von zig treuen Fans abgefeiert, die Musik wirkt schön episch-rockig.
SAMSARA BLUES EXPERIMENT finden im Werk ebenfalls ausreichend Zuspruch: Auch hier regieren überlange Songs, die immer wieder von ausufernden Gitarren-Improvisationen des Frontmannes Christian Peters geprägt werden. Dabei geht das Trio nie zu selbstverliebt in das eigene Können zu Werke, sondern lässt beständig den Song an sich fließen. Manch einem mag dies etwas monoton vorkommen, wer sich jedoch in den Malstrom der Musik der Berliner einmal fallen lässt, sieht sich schnell darin gefangen und kann einfach nur noch mitgrooven. Die auf den Studiowerken von SAMSARA BLUES EXPERIMENT präsenten Elemente indischer Raga-Musik kommen auf einer Bühne freilich nicht zum Zuge, hier gibt’s stattdessen eine satte Mischung aus Stoner Rock und Heavy Psych pur. Selbst wenn da nur drei Leute am Musizieren sind, wird hier eine unglaubliche Riff-Wand erzeugt, die die Anwesenden restlos begeistert. Die ultratight eingespielten SAMSARA BLUES EXPERIMENT stellen mit diesem Auftritt einmal mehr ihren Status als eine der führenden Genre-Bands unter Beweis. Die Musik der Hauptstädter macht so süchtig, dass der Rezensent die zeitgleich im Club auftretenden BRAINDEAD WAVELENGTH leider verpasst, die laut Festivalinfo Post Grunge/Metal zum Besten geben.
Zwischen SAMSARA BLUES EXPERIMENT und MANTAR folgt im Werk eine fast einstündige Umbaupause, die jedoch vonnöten ist, muss doch auf der rechten Bühnenseite das Schlagzeug von Erinc komplett neu aufgestellt werden. Was dann folgt ist ein wahrer Triumphzug: Anfangs ist bei den Norwegern von PRISTINE vor der Hallen-Bühne noch nicht allzu viel los, doch mit zunehmender Spielzeit füllt sich die Location zusehends. Und während die Publikumsreaktionen anfangs vergleichsweise noch etwas verhalten sind, kennt der Jubel spätestens ab Mitte des Sets der Osloer keine Grenzen mehr: Die Band um die charismatische Sängerin Heidi Solheim versuchen gleich von Beginn an, München im Sturm zu erobern. Speziell die Frontdame hüpft und springt über die Bühne, versucht beständig die Anwesenden zum Mitmachen zu motivieren, so dass es ziemlich schwer ist, von der quirligen Dame einigermaßen verwertbare Fotos zu schießen. Trotz dieser unglaublich intensiven Arschtritt-Mentalität ist es erstaunlich, dass Heidi es schafft, beständig ein ungemein hohes Qualitätslevel zu halten: Ihr Gesang ist definitiv über alle Zweifel erhaben und kann sich mit den ganz Großen des Genres messen. Doch um welches Genre handelt es sich hier eigentlich? – PRISTINE stehen für reichlich Blues-getränkten 70er-Rock, und im direkten Vergleich zu stilistisch ähnlich gearteten Combos haben die Norweger wahrhaft mitreißende, kompakt arrangierte Songs im Repertoire, die im Einklang mit Solheims Stimme sehr eigenständig und originell klingen. Während Heidi ihre überragenden Entertainer-Qualitäten auf der Bühne locker und sympathisch ausspielt, agiert der sonnenbebrillte Gitarrist eher als cooler Blues-Crooner, der mit einer ungemeinen Ruhe und Leichtigkeit sein formidables Können unter Beweis stellt. Gleich zu Beginn des Sets versucht er sich auch als Knöpfchendreher an extravaganten Soundeffekten, die sich ebenfalls äußerst schlüssig ins Gesamtbild einfügen. Der Auftritt beim Under The Black Moon wirkt viel zu kurz, und doch fahren PRISTINE ihr ganzes Repertoire auf: Während Heidi mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht bei einem straighten Rocker die Kuhglocke auspackt, stellt sie ein andermal bei einem ruhig-atmosphärischen Song die gesamte Bandbreite ihrer bluesig-souligen Wunderstimme unter Beweis. PRISTINE haben mit diesem Auftritt in der bayerischen Landeshauptstadt definitiv mehr Freunde gewonnen und mutig sowie engagiert unter Beweis gestellt, dass sie langweilige Einheitsbrei-Combos meilenweit in den Schatten zu stellen vermögen. - DAS ist Rock N' Roll, ein von Anfang bis Ende mitreißender Auftritt! S
elbst wenn die aus Estland stammenden ELEPHANTS FROM NEPTUNE ihre Musik diffus als „Sex Rock“ umschreiben, haben die Jungs aus Tallinn im Club nicht wirklich allzu viel Aufregendes zu bieten. Freilich, etwas freakig kommt die ganze Chose schon daher, in letzter Konsequenz speist sich die Musik der Osteuropäer aber aus den bewährten Töpfen Psychedelic, Blues und Funkrock. Da agieren MANTAR im Werk weitaus heftiger: Immer wieder verblüffend ist das coole Zusammenspiel zwischen den beiden sich frontal gegenüberstehenden Musikern Erinc hinter dem Schlagzeug und Sänger/Gitarrist Hanno. Letzterer schreit seinen Hass auf diese Welt, seine Wut und Aggression heraus und windet sich in Agonie. Das Hamburger Duo liefert eine besessen wirkende Show ab, die ungemein viel Zuspruch seitens des Publikums findet. Entsprechend voll ist dann auch die Location. Trotz des ungemeinen Hypes, den die Norddeutschen derzeit erfahren, stellt sich die Frage, ob es eine vergleichbare Mixtur aus Sludge, Crust und schwarzmetallischen Elementen nicht schon mal irgendwann irgendwo anders gab? – Allzu neu oder meisterhaft inszeniert klingt das was einen da auf Platte entgegenschallt jedenfalls nicht, live jedoch entwickelt die Musik von MANTAR eine ureigene Dynamik, die die zahlreichen Fans auch an diesem Abend in München ausnahmslos mitreißt.
Um Punkt 22 Uhr beschließen MOTHER´S CAKE den Bandreigen im kleinen Club, geboten wird eine Mischung aus Psychedelic und Space Rock mit diversen funkig-groovigen Versatzstücken. Das ist nicht unbedingt revolutionär, vermag aber zu unterhalten. Genau zum gleichen Resümee könnte man auch bei den zeitgleich in der Halle auftretenden Griechen von 1000MODS kommen, erinnert ihr Stoner/Desert Rock doch sehr an Genre-Protagonisten der Marke Kyuss, Fu Manchu, Truckfighters oder Nebula. Die Jungs aus Chiliomodi machen ihre Sache durchaus ordentlich, was das Publikum in der übervollen Halle mit frenetischem Applaus zu bestätigen weiß. Allerdings bieten 1000MODS bei nüchterner Betrachtung nichts wirklich Überragendes, man agiert eben schlichtweg als eine (wenngleich gute) Stoner/Desert Rock-Formation unter vielen.
Nicht wenige Anwesende dürften indes ziemlich ungeduldig auf den Headliner im Werk gewartet haben: Allzu oft lassen sich ELECTRIC WIZARD nämlich nicht in hiesigen Breitengraden blicken und ihre originelle Mischung aus Doom, Stoner sowie Occult Metal ist ohnehin über alle Zweifel erhaben. Zum ersten und einzigen Mal an diesem Abend kommt das extra für die Engländer hergerichtete Drumkit zum Einsatz. Hinter Schlagzeuger Simon Poole ist eine Video-Leinwand aufgebaut, auf der reichlich psychedelisch anmutende Sequenzen aus kultigen 70er-Jahre-Horrorstreifen gezeigt werden. Blut und Titten sind dabei das bestimmende Element. Nur bei 'The Chosen Few' vom 2007er Meisterwerk „Witchcult Today“ erscheinen Auszüge aus einem Motorradgang-Film der 60er Jahre. Nicht alleine deswegen zählt gerade dieses Stück zu den Höhepunkten im Set der Briten: Die mitreißenden Arrangements werden durch Textzeilen wie „Legalise drugs and murder“ ergänzt. Dennoch bleibt festzuhalten, dass ELECTRIC WIZARD an diesem Abend beim Under The Black Moon eigentlich fast ausschließlich Höhepunkte zu bieten haben: Trotz eineinviertelstündiger Spielzeit kann das Quartett angesichts der Überlänge der eigenen Songs natürlich nur einen kleinen Einblick in die bisherige Bandhistorie bieten. Der hat es jedoch in sich: Die Engländer verbreiten eine ungemein düstere Stimmung und somit etwas, das es bei diesem Festival bis zu dem Zeitpunkt in der Form noch nicht gab. Gitarristin Liz Buckingham und Bassist Clayton Burgess gelten dabei in ihren Schlaghosen-Outfits als Inbegriff der Coolness, während sie sich regelrecht in Trance bangen. Als Zeremonienmeister dieser atmosphärisch enorm dichten Okkult-Messe agiert einmal mehr Bandkopf und Sänger/Gitarrist Jus Oborn, der noch das einzig verbliebene Gründungsmitglied aus der Urbesetzung der Formation ist. Der Mastermind ELECTRIC WIZARDs hält sich in Sachen Ansagen vornehmlich zurück und lässt lieber die Musik für sich sprechen: Und die ist vorzüglich, zieht die Anwesenden in ihren Bann und schickt den Geist auf eine bitterböse, alptraumhafte Reise quer durch Raum und Zeit. Ihren Status als Headliner des Under The Black Moon-Festivals rechtfertigen ELECTRIC WIZARD zu jeder Sekunde ihres Auftritts!
Nach diesem gelungenen Ausklang treten die meisten Fans die Heimreise an, der Rest vergnügt sich noch mit Musik aus der Konserve. Hinter dem Merchandise-Stand von ELECTRIC WIZARD bedient ein Brite die Kundschaft, den die Band wohl direkt aus einem 70er-Jahre-Streifen aus den berühmt-berüchtigten Hammer Studios importiert hat. Insgesamt gesehen dürfte das diesjährige Under The Black Moon aus organisatorischer Sicht erneut als Erfolg verbucht werden. Der für derartige Klänge eigentlich eher weniger bekannten Stadt München tut eine derartige Veranstaltung definitiv gut! Die Mischung aus Stoner/Doom-Formationen und stilistischen Ausreißern wie ANGEL WITCH, PRISTINE, HIGH FIGHTER oder MANTAR macht das Ganze zu einer unterhaltsamen, spannenden Angelegenheit, in deren Rahmen auch mal die eine oder andere lohnenswerte Neuentdeckung gemacht werden kann. Selten haben sich die Spielzeiten der Bands in den einzelnen Locations komplett überschnitten, so dass man von nahezu allen auftretenden Gruppen zumindest ein paar Minuten mit erhaschen konnte. Man darf für 2018 auf ein ebenso starkes Line-Up hoffen, dieses Jahr war die Mischung zumindest äußerst ausgewogen und in Form von ELECTRIC WIZARD, ANGEL WITCH, PRISTINE und SAMSARA BLUES EXPERIMENT mit nicht gerade wenigen absoluten Highlights bestückt.