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KREATOR, ROTTING CHRIST, WARBRINGER @ Halle 02, Heidelberg – 20.07.2025

Es ist schwül heiß und dunkle Wolken hängen über den beiden charakteristischen Bergen links und rechts vom Neckar. In Heidelberg wird es zum Abend hin also ungemütlich... An der Halle angekommen, die praktisch einen Steinwurf vom Hinterausgang des Bahnhofs liegt, steht sich schon ein bemerkenswerter Pulk von Leuten die Beine in ihre Bäuche und wartet bis die Türen geöffnet werden.

Warbringer Legacy Collage

Drinnen angekommen ist das Klima bereits hart an der Grenze zur Sauna als WARBRINGER mit 'Firepower Kills' und 'Hunter Seeker' loslegen und sofort mit kratzigem und matschigen Sound zu kämpfen haben, der im weiteren Verauf des Sets leider nur geringfügig besser werden soll. Zum Ende von 'Woe To The Vanquished' verabschiedet sich noch das Instrument von Gitarrist Adam, was Frontschreihals John Kevill zu einer längeren Ansage zwingt, bis Adam mit anderer Gitarre wieder hinter dem Bühnenvorhang hervorgekrabbelt kommt. Und siehe da: Zumindest das erste Drittel der Halle bekommt die letzten drei Nummern des halbstündigen Auftritts mit besserer Soundqualität zu hören. Fun-Fact am Rande: Vom aktuellen Album „Wrath And Ruin“ hat die Truppe aus Los Angeles, Kalifornien mit 'The Sword And The Cross' nur einen einzigen Titel im Angebot. Hätte man vom Mischpult her den Sound mehr auf die Klarheit beim Gesang und Höhen bei den Gitarren ausgerichtet, wäre der Gig von WARBRINGER wohl angenehmer zu hören gewesen.

Rotting Christ Legacy Collage

Wenn der Abend eine echte Überraschung parat gehalten hat, dann waren es die Griechen von ROTTING CHRIST. Die starten theatralisch mit '666' und seinem integriertem Spannungsbogen als Intro und leuchten die Bühne von Anfang an so geschickt aus, das das Licht einen Eindruck von Sakralbauten-Architektur erzeugt. Spätestens als die Musiker den eröffenenden Schrei im Song dreistimmig intonieren, fühlt sich jeder in der Halle gezwungen, sich mit der Darbietung der Band auseinander zu setzen, die dann sofort nahtlos in 'P' Unchaw Kachun - Tuta Kachun' übergeht. Das anfangs verhaltene Thrash-Publikum wacht im Laufe der dritten Nummer 'Fire, God And Fear' vom „The Heretics“-Album dann auf. Bemerkenswert auch die Präsenz, mit der die Band die Bühne für sich in Beschlag nimmt. Das leicht eskalierende Stageacting von Basser Kostas Spades und die großen Gesten von Gitarrist Kostas Foukarakis treffen da auf die ruhige und eher hypnotisch und beschwörend anmutende Art von Kreativkopf Sakis Tolis und seinem Bruder Themis, der mit stoischer Ruhe und Präzision das Schlagzeug bearbeitet. Wieder ist zu bemerken: Die Hälfte der Halle hat einen relativ guten Sound, je mehr es in Richtung Bar geht, desto Bass- und Schlagzeuglastiger wird es, weiter Richtung Ausgang und Toiletten bleibt nur noch Gewummer. Deswegen drängt das Volk zu Stücken wie 'Like Father, Like Son' oder 'Elthe Kyrie' auch nach vorn. Mit der Thou-Art-Lord-Coverversion 'Societas Sathanas' haben ROTTING CHRIST sogar ein Stück im Programm, das stark an alte KREATOR-Sachen erinnert. Nach einer Dreiviertelstunde kommt mit 'Grandis Spiritus Diavolos' ein eindrucksvoller Auftritt zu seinem Ende und fast alle im Publikum recken Fäuste und Pommesgabeln nach oben.

Kreator Legacy Collage

Links und rechts stehen die Aufblas-Dämonen an den Hallenwänden, die Bühne ist mit einem Vorhang mit KREATOR-Logo verhüllt. Als der fällt und das altgediente 'Choir Of The Damned' Intro ertönt, ist der Jubel groß. Deep-Cuts hat Mille die Sommertour untertitelt und damit eine drastische Umstellung der Setliste hin zu einem Old-School-Set gemeint. 'Ripping Corpse' von „Pleasure To Kill“ macht den Anfang und treibt viele der fast 1300 Leute gleich zur Eskalation. Diese Enge der Halle, keine drei Meter zwischen der Absperrung und der auf der Bühnenkante gelagerten Pyrotechnik, dahinter gleich die Band. Im Handumdrehen entsteht die Atmosphäre eines Club-Gigs. Mille schwört dann das Publikum sogleich auf eine Reise zurück in die Vergangenheit der Band ein, die sogleich 'Extreme Aggressions', das von Trommler Ventor gesungene 'Riot Of Violence' und 'Betrayer' nachlegen. Das Stück vom „Extreme Aggressions“-Album hätte eigentlich mit dem Einsatz von Feuerfontänen untermalt werden sollen, Mille will aber so viele Crowdsurfer wie möglich haben. Während die Pyrotechnikerin wild gestikulierend vom Bühnenrand her die Feuershow kappt, surfen etliche Old-School-Thrasher über die Köpfe des Publikums weg und werden von der Security aufgefangen. Man sieht in den ersten Reihen viele ungläubige Gesichter, denen pure Freude über Stücke wie 'People Of The Lie' oder 'Total Death' vom Debut der Band, „Endless Pain“, ins Gesicht geschrieben steht. Ein Besucher hat es kurz nach dem Gig in einem kleinen Talk auf den Punkt gebracht: KREATOR haben die letzten vier Jahre immer so fast das gleiche Konzert gespielt, man ist trotzdem hingegangen, weil wer KREATOR einmal mag, bleibt ihnen halt treu. Solch eine Setliste vorgespielt zu bekommen, hat dem Kerl aus Speyer sogar mehrmals einige Tränchen in die Augen getrieben, wie er vollends zufrieden zugibt. Zurück zur Zerstörung, die geht mit einem sehr grell in Rot ausgeleuchteten 'When The Sun Burns Red' samt Intro munter weiter. Die psychedelisch ineinander fließenden Gitarren bei 'Renewal' klingen noch ein wenig angestaubt, es tut aber super-gut zu hören, das ein Song dieses großartigen Albums wieder den Weg auf die Bühne geschafft hat. Eine Episode vom Rande des Moshpits vor mir: Petrozza kündigt in seiner polternd-schreienden Art auf der Bühne 'Love Us Or Hate Us' an, zwei gut in die Jahre gekommene Fans vor mir, in deren Sturm und Drang-Phase dieser Songtitel wohl eher ein (Über)Lebensmotto war, sehen sich ungläubig an und fangen dann an zu headbangen, als wäre es die letzte Gelegenheit in ihrem Leben. Auf beiden Köpfen sind zwar lange schon keine Haare mehr – das stört die beiden allerdings nicht im Geringsten. Intro und Titeltrack vom „Violent Revolution“-Album und das folgende, total in dunkelstem Blau ausgeleuchtete 'Enemy Of God' inklusive Konfettikanone markieren dann den Übergang zur neueren Zeit der Truppe und plötzlich sind Songs wie 'Hail To The Hordes' oder 'Hate Über Alles' oder auch 'Satan Is Real', samt der KREATOR-Figuren, die vorher mit Fackeln auf die Bühne watscheln, voll gut. Die Band wirkt kompletter als zuvor. Man ertappt sich sogar beim Gedanken, das zwei, drei mehr Songs neuerer Bauart dem Konzert auch nicht geschadet hätten. Old-School ist auch das Ende nochmal: 'Flag Of Hate' und den guten alten 'Tormentor' aus Schülerband-Tagen. Sicher darf jetzt diskutiert werden, ob es die Konfettikanone, die Wall Of Death und eine inflationäre Masse an Feuerfontänen (wenn auch durch die Hallenhöhe arg gedrosselt) gebraucht hätte. Ich persönlich habe, trotz teils viel zu wummerigem Grundsound, einen der besten Gigs von Mille, Sami, Ventor und Frédéric seit langem gesehen und mich am Show-Schnickschnack diesmal seltsamerweise überhaupt nicht gestört.

Während die drei Bands uns in der früheren Güterabfertigungshalle gargekocht haben, ist eine Gewitterfront über Heidelberg hinweggefegt und hat alles abgekühlt. So spuckt die Halle also nun zum größten Teil zufriedene Besucher in die jetzt angenehme Nacht. Hinter dem Bahnhof hocken die Kids von heute, kiffen, schimpfen sich blödsinniges Zeug und spielen sich in voller Lautstärke Fünfzehnsekunden-TikToks vor. Unsere Old-School war da doch irgendwie cooler!

Wedekind Gisbertson