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Vor Kurzem habt ihr die ersten beiden CELLAR DARLING-Songs veröffentlicht. Wie habt ihr die Stunden vor dem Release erlebt? Was waren eure Hoffnungen und Ängste und wie geht es euch jetzt?

Anna: Ich war schon sehr aufgeregt, manchmal euphorisch und dann wieder eher nervös. Meine größte Hoffnung war, dass man unsere Musik versteht - sowohl musikalisch als auch lyrisch. Und die größte Angst war somit, dass man sie nicht versteht. Natürlich hoffte ich auch, dass die Songs gefallen werden, doch das war eher sekundär.

Merlin: Ich bin grundsätzlich positiv eingestellt, wenn es um solche Sachen geht. Bei CELLAR DARLING bin ich aber mit sehr viel Herzblut dabei und meine Erwartungen waren dementsprechend hoch - etwas Unsicherheit hab ich also doch auch verspürt. Ich selbst bin extrem zufrieden mit den beiden Songs, aber bis zum letzten Moment weiß man nicht, ob man sich da was vormacht. Ich freute mich daher wahnsinnig, die Katze endlich aus dem Sack zu lassen. Jetzt freue ich mich einfach unheimlich, dass die Reaktionen so positiv sind. Dass wir zu 100% unsere Vision durchsetzen konnten, und damit die Fans nicht enttäuscht haben, ist ein wahnsinniges Gefühl und für mich ein Riesenerfolg.

Ivo: Ich hatte gemischte Gefühle vor dem Release. Was mich etwas beruhigt hat, waren das viele positive Feedback von Leuten, denen wir die Songs im Vorfeld gezeigt hatten. Dies gab mir das Gefühl, dass wir nicht auf dem völlig falschem Weg sind.

Mit 'Challenge' und 'Fire, Wind & Earth' habt ihr zwei Songs mit unterschiedlichem Härtegrad veröffentlicht. Ist das eine bewusste Entscheidung, um die Reaktionen der Fans abzuchecken, oder hat sich das so ergeben?

Anna: Das hat sich einfach so ergeben - so weit überlegen wir dann auch wieder nicht. Wir haben uns im Sommer zehn Tage in den Soundfarm Studios - meinem zweiten Zuhause in Luzern - eingebunkert, um zusammen Songs zu schreiben. Es war uns ziemlich schnell klar, dass es diese beiden Songs werden. Die anderen Ideen haben wir vorerst zur Seite gelegt, um uns voll und ganz auf die zu konzentrieren. Unsere Musik ist sehr vielseitig und eine authentische Mischung aus uns Dreien.

Merlin: Natürlich war uns bewusst, dass die Fans hohe und zum Teil sehr bestimmte Erwartungen haben, und wir wollten diese keinesfalls enttäuschen. Ich bin aber überzeugt, dass wenn wir uns verstellt und die Songs nur nach diesen Erwartungen ausgerichtet hätten, wir die Fans genauso verarscht hätten, wie wenn wir ihnen eine Dubstep-Single präsentiert hätten. Das mit dem Härtegrad hat sich wirklich einfach ergeben. Für mich hat sich das gemeinsame Komponieren regelrecht magisch angefühlt. Kaum hatten wir uns hingesetzt, entwickelten sich die ersten Songs. Uns wurde bald klar, dass wir auf eine ganz natürliche Art unsere künstlerische Bandbreite zeigen können, wenn wir diese beiden Songs zusammen veröffentlichen.

Ivo: Zwei so unterschiedliche Songs zu veröffentlichen kann auch ein Risiko sein. Womöglich wirkt es, als ob eine Band noch nicht weiß, welche Musik sie machen will. Ich denke aber, dass wir in unserem Fall ein gutes Statement setzen konnten. Die Reaktionen der Fans sind bei beiden Songs sehr gut, und sie wollen unbedingt mehr davon.

Inwiefern widerspiegelt ‚Challenge‘ eure persönliche Situation? Da sind einige Parallelen denkbar...

Anna: Ja, es gibt lustigerweise auch schon viele Theorien und Fragen diesbezüglich. Geht es um unsere Trennung und den Wiederaufbau nach Eluveitie? Ist es sogar eine Kampfansage an Eluveitie? Ich finde das spannend, vor allem weil es ja theoretisch passen würde. Mich hat das unbewusst sicher auch inspiriert. Ich würde aber nie so deutliche und offensichtliche Texte schreiben. Die ‚Challenge‘, von der ich spreche, spielt sich vor allem in meinem Innern ab. Die Begebenheiten und Worte sind symbolisch für etwas, was ich schwer in Worte fassen kann. Ich mag es auch, wenn die Leute Songs auf sich selbst zuschneiden und interpretieren. Ich werde weiterhin regelmäßige Kämpfe mit meinen inneren Dämonen führen, sonst wird es ja irgendwann langweilig. Oder noch schlimmer - ich habe keine Ideen für Songs mehr.

Merlin: Absolut, und in vielerlei Hinsicht! Dieses Jahr war für mich persönlich das herausforderndste meines Lebens, beruflich wie persönlich. Es hat die tiefsten Tiefen wie auch die höchsten Höhen beinhaltet, und ‘Challenge’ ist definitiv das richtige Wort dafür! Anna hat den Text für diesen Song geschrieben, jedoch beinhaltet er für mich Raum für Interpretation und man kann Parallelen zur persönlichen Erfahrung ziehen - das geht hoffentlich auch unseren Fans so. Für mich persönlich repräsentiert ‘Challenge’ also dieses Jahr: eine gigantische Herausforderung, scheinbar unüberwindbare Hindernisse, und ein Wille, der schlussendlich zum Triumph führt.

Ivo: Momentan ist mein ganzes Leben zu 100% eine ‚Challenge‘. So schwierig und zermürbend es sein kann - letztendlich treibt es mich auch voran. Hinsichtlich der Band bin ich dadurch motiviert wie noch nie zuvor, mein Bestmögliches zu geben.

Versucht ihr für CELLAR DARLING ein klares Konzept zu finden und euch entsprechend auf dem Markt zu positionieren, oder ist die musikalische Entwicklung noch völlig offen?

Anna: Ich bin die letzte Person, mit der man über Genres reden kann, mir ist das so komplett egal. Trotzdem finde ich, dass sich ein gewisses Konzept abzeichnet - auch wenn wir noch kein volles Album geschrieben haben. Wir sind alle sehr große Fans von „epischen“ Melodien und von Abwechslung. Der Name CELLAR DARLING lässt ebenfalls vermuten, wie die Musik klingt. "Cellar" ist dunkel und mystisch. "Darling" ist lieblich, hell und zerbrechlich. Diese gegensätzlichen Elemente sollen in unserer Musik zu einer Symbiose werden. Auch lyrisch spielt Bildsprache und Symbolik eine große Rolle.

Merlin: Ein Konzept wird es sicher geben, das finde ich auch sehr wichtig. Allerdings ist es nicht das Resultat einer bewussten Suche, sondern ein auf natürliche Art und Weise entstandenes Ergebnis. Wir arbeiten momentan an härteren Sachen, können uns aber genauso gut auch etwas akustisches vorstellen. Das was nun zu hören ist, enthält die Essenz aus Anna, Ivo und mir und das sehe ich als unsere größte Stärke und als unheimliches Privileg.

Ivo: Meine Wurzeln liegen im Rock und Metal, und dieser Einfluss wird sicher gut zu hören sein. Wir sind aber vielschichtige Musiker und versuchen natürlich auch gewisse neue Wege zu gehen. Wichtig ist uns dabei, dass wir uns nicht verstellen und authentisch bleiben.

Abgesehen von der auf Metal ausgelegten Studioproduktion und den präsenteren Gitarrenriffs und Drums erinnern die Song doch etwas an das Soloprojekt von Anna Murphy. Wo zieht ihr hier die Trennlinie?

Anna: Ich denke, das ist vor allem wegen 'Challenge' - das ist so ein klassischer Ich-Song. Aber ich finde hier die Riffs von Ivo und das Schlagzeugspiel von Merlin perfekt umgesetzt, sodass es sich von meinem Solo-Projekt abhebt. Wir schreiben jetzt auch gerade an ein paar Songs, welche bisher nur auf Ivos Riffs aufgebaut sind, und die werden dann wieder anders und etwas härter wirken. Meine nächste Solo-Scheibe wird weniger „rockig“ und eher experimentell und etwas versifft werden. Das ist zumindest der Plan. Ich denke, die Fans werden das dann schon gut unterscheiden können. Wobei ja viele dachten, dass meine Single 'Mayday' der erste CELLAR DARLING Song war. Da haben wir wohl für Verwirrung gesorgt. Ha!

Die Trennung von Eluveitie bedeutet auch den Wegfall eines regelmäßigen Einkommens. Wie geht ihr damit um? Erzeugt dies einen gewissen Druck, CELLAR DARLING erfolgreich gestalten zu müssen?

Anna: Das ist so. Ich glaube allerdings auch, dass man nicht einfach Musik mit Aussicht auf Erfolg machen kann. Das verstößt für mich gegen alle Prinzipien des Musikmachens. Ich schreibe, jetzt mehr denn je, zu 100%, was ich will, und wenn das irgendwann Erfolg haben hat, ist es natürlich super. Aber so weit überlege ich noch nicht. Ich möchte erst mal Musik machen und nebenbei mit Studio-Jobs über die Runden kommen.

Merlin: Das ist momentan sicherlich eine große Herausforderung. Ich war diesbezüglich aber schon immer kompromisslos: Zwar mache ich Musik nicht für den Erfolg, aber Musik ist das, was ich machen will, und sie muss dementsprechend immer im Vordergrund stehen. Als das mit Eluveitie begonnen hatte, lebte ich teilweise von Sozialhilfe und schlief einige Zeit im Proberaum, denn ich war zu 100% von dem Potenzial der Band überzeugt. Ebenso wusste ich, dass ich mich voll und ganz darauf konzentrieren musste – und ich bereue bis heute nichts davon. Ich fühle mich nun sehr an diese Zeit erinnert, und schlafe ab nächster Woche wieder im Proberaum – CELLAR DARLING heißt für mich alles oder nichts. Musik und Erfolg gehen für mich Hand in Hand, ohne dass das eine durch das andere beeinträchtigt wird, und ich persönlich bin bereit, mich auf das absolut Nötigste zu beschränken, um dies möglich zu machen. Für mich ist es nicht wirklich ein Druck, die Band erfolgreich gestalten zu müssen, sondern vielmehr ein bedingungsloser Glaube an die Band.

Ivo: Natürlich ist es keine einfache Situation, kein regelmäßiges Einkommen mehr zu haben, und seit Längerem wieder mal mit dem Thema Existenzangst konfrontiert zu sein. Andererseits ist diese Freiheit, wieder von Grund auf neu anzufangen, etwas sehr Befriedigendes, und ich genieße das Schreiben neuer Musik im Moment so sehr wie noch nie.

Seid ihr bereit, in musikalischer Hinsicht Kompromisse einzugehen, um CELLAR DARLING erfolgreich zu machen?

Anna: Ich finde Inputs gut und interessant. Ich bin alles andere als allwissend und schätze Feedback und Vorschläge von Vollprofis, aber auch von Laien. Auch unsere Scheiben möchte ich nicht alleine produzieren, sondern mit einem Co-Produzenten, der mit einem frischen Ohr an die Sache rangeht und Inputs bringt, welche uns gar nicht erst in den Sinn kommen würden. Aber das sind meiner Meinung nach nicht wirklich Kompromisse, das ist eine völlig normale Arbeitsweise. Ganz andere Musik zu machen, damit wir mehr Erfolg haben, geht aber auf keinen Fall. Ich glaube so was könnte ich gar nicht.

Merlin: Ich persönlich habe mich noch nie zu Kompromissen genötigt gefühlt, was womöglich daran liegt, dass ich sehr offen bin für Inputs und fest daran glaube, dass ein guter Song ein guter Song bleibt, wenn gute und vertrauenswürdige Leute in den Entstehungsprozess involviert sind. Nimm die Rolle eines Produzenten als Beispiel: Das ist im besten Fall ein kreativer Mensch, der seit langer Zeit mit Herzblut Musik macht und dies in der Funktion, die ihm oder ihr am besten liegt. Ich finde es schade, wenn man dem gegenüber so skeptisch steht. In unserem Fall ist es zudem so, dass wir schon eine ganze Weile zusammen Musik machen und eine klare Vision haben, die wir auch durchsetzen.

Ivo: Kompromisse eingehen will ich eigentlich vermeiden. Wichtig ist mir, dass genügend Zeit und Raum für neue Ideen da sind und dass Vorschläge - ob von einem Bandmitglied oder von einem Produzenten - wachsen und sich entwickeln können. Die zehn Tage im Studio haben mir gezeigt, dass das geht. Wir hatten zwar manchmal unterschiedliche Meinungen, aber nach ein paar Stunden oder Tagen hat sich dann eine "Lösung" herauskristallisiert.

Möchtet ihr in naher Zukunft wieder bei einem leistungsfähigen Label unterkommen, oder versucht ihr es mit DIY? Könnt ihr nach eurer Zeit bei Eluveitie auf ein gutes Kontaktnetz zurückgreifen?

Merlin: Ich habe bei Eluveitie im organisatorischen Bereich von Anfang an eine große Rolle gespielt und tue das auch bei CELLAR DARLING. Wir konnten in dieser Zeit definitiv wertvolle Kontakte knüpfen, und wissen es sehr zu schätzen, wenn Veranstalter und Labels auch heute noch auf unsere E-Mails antworten. Für CELLAR DARLING stelle ich mir auf jeden Fall einen starken Partner vor für die Zukunft. Ob das aber ein klassisches Label wird oder eine kreative DIY-Lösung steht momentan noch komplett offen.

Wo steht CELLAR DARLING in zwei Jahren?

Anna: Keinen blassen Schimmer - wissen kann man so etwas nie. Ich hoffe jedoch im Studio oder auf der Bühne, denn da wollen wir eigentlich immer abwechselnd sein von nun an.

Merlin: Definitiv auf der Bühne, unterbrochen hoffentlich nur vom Studio. Ich kann es kaum erwarten, wieder auf Tour zu sein, und bin fest davon überzeugt, dass die besten Shows unserer Karriere noch vor uns stehen – für uns wie auch für die Fans!